Donnerstag, 5. November 2015

Erfolgreiche Gemeinschaftsbildung: 3. Weißes Dinner

Gemeinsam essen verbindet. Doch wer hat im Restaurant schon Kontakt zu anderen Gästen? Etwas anderes sind große gemeinsame Dinner. Entstanden ist die Idee in Frankreich, mittlerweile gibt es dies in mehreren europäischen Städten. Seit drei Jahren auch in Oberhausen. Alles wird mitgebracht und mit den Nachbarn geteilt, künstlerische Events begleiten den Abend:

Der Abend ist lau, manchmal zieht leicht der Wind über die Tische, die den Saporishja-Platz am Samstag in eine riesige Picknick-Fläche verwandeln. Rund 200 Menschen packen ihre Teller aus, füllen Gläser und verfrachten aus geflochtenen Körben den Inhalt breiter Plastikdosen auf die Teller. Das „Weiße Dinner“ gibt die Garderobe vor. Einheitlich schimmert der helle Stoff manchmal in der Abendsonne. Doch farblos ist das nicht.


Erfolgreiche Gemeinschaftsbildung: 2. Die Dorfkümmerer

Gemeinschaftsbildung funktioniert, wenn sich jemand „kümmert“. Das, was früher vielleicht aus sich heraus funktionierte, benötigt heute oft einen Anschub.

Ein solches Projekt gibt es in Brandenburg. Die Dörfer leiden unter Landflucht. Das Land Brandenburg reagierte mit einem Projekt „Dorfkümmerer“. Solche Kümmerer sind Menschen im Alter von 55+, die sich ehrenamtlich für ihre Dörfer einsetzen und gemeinsam mit den Bewohnern spannende Projekte starten. Wichtig ist, dass sie es „gut mit den Leuten können“ als Ansprechpartner da sind und auch Ansprechpartner suchen. Also typische Netzwerker. Das kann man lernen. Die Dorfkümmerer bekamen eine Ausbildung in Moderationstechniken und wurden dann losgeschickt, um Leute mit guten Ideen zu finden.

Während Else legt, brütet Ulrike Macht über neue Ideen für ihr Dorf. Seit knapp einem Jahr ist sie eine von acht sogenannten Dorfkümmerern in Brandenburg. Die sollen mit Unterstützung einer Beratungsfirma und mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds dabei helfen, das Dorfleben wieder attraktiver zu machen, auch für junge Leute. Sonst leben in Flieht und anderswo in der Uckermark bald nur noch Greise. 

Ulrike Macht geht als Dorfkümmerin von Tür zu Tür, sammelt die Wünsche und Ideen der Bewohner, lädt zu Versammlungen, die sie moderiert, und berät diejenigen, die gerne etwas auf die Beine stellen wollen, um das Leben auf dem Land zu verbessern. Das ist der Arbeitsauftrag. Ulrike Macht erinnert sich, dass vor einem Jahr alles mit einer Einladung in der Lokalpresse anfing: 

"Und da sind von den etwa 650 Einwohner der Gesamtgemeinde ... sind etwa 15 dagewesen, das finde ich, ist schon ein guter Prozentsatz. Und was ich besonders begeisternd finde, es sind schon zwei Projekte entstanden."



Erfolgreiche Gemeinschaftsbildung: 1. Eine Kirchengemeinde in Köln

Vereine, Initiativen, Parteien, Gewerkschaften, Kirchengemeinden – viele Organisationen beklagen sich über Mitgliederrückgang, Überalterung und mangelndes Interesse. Dabei gibt es immer wieder Gegenbeispiele. Ich möchte in dieser Artikelreihe auf Beispiele hinweisen, wo entgegen allgemeiner Tendenz Gemeinschaftsbildung funktioniert.

Das erste Beispiel ist die Lutherkirche in der Kölner Südstadt. Hier ein Auschnitt aus einem Artikel in der WELT vom 20.04.2014

Doch Kirchen kriegt man auch anders voll. Das beweist Hans Mörtter, der in der Kölner Südstadt 1998 bei seinem ersten Gottesdienst in der Lutherkirche nur 23 Besucher vorfand, heute aber bis zu 300 anlockt. Mörtter hat entrümpelt. Orgel, Uraltchoräle und Liturgie mit Sitz-steh-sitz-Regeln und Wechselgesängen wurden weitgehend ausgemustert. Ebenso das Glaubensbekenntnis mit Jungfrauengeburt und Himmelfahrt. In seinen Predigten meidet Mörtter "alte niederdrückende Lehren wie die vom stellvertretenden Sühnetod oder vom Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt". Aber was bleibt dann?
Das pralle Leben, meint der Sohn eines rheinischen Metzgers und einer frommen Schwäbin. Erst die Entrümpelung schaffe ja Raum für eine "menschennahe Spiritualität". Unter diesem Motto setzt er nicht nur auf betont eingängige Musik: Gospel,Pop, Taizé-Gesänge. Mörtter lässt in seiner Kirche auch viel und gern Menschen aufmarschieren, damit sie die Besucher zu Gottvertrauen ermutigen oder für die Nöte ihrer Nächsten sensibilisieren. Gatte und Sohn einer jüngst Verstorbenen erzählen, wie die Hoffnung auf ein Wiedersehen bei Gott sie durchs Leid trage. Eine alleinerziehende Hartz-IV-Bezieherin schildert der Gemeinde unter Tränen die Sorgen und Demütigungen ihres Alltags.
Mörtter hat aber auch komplette Gottesdienstformate erfunden – die der Gemeinde bei Konservativen den Ruf einer kirchlichen "Hafenstraße" eintrugen. Etwa den Karnevalsgottesdienst, bei dem Kostümierte mit karnevalesken Gesängen ihren Schöpfer preisen. Anschließend: Fete rund um den Altar. Dort wurden auch schon WM-Spiele der deutschen Fußballmannschaft mit Bier und schwarz-rot-goldenen Fahnen gefeiert. Oder der Talk-Gottesdienst: Hier beleuchten Prominente die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer oder das Leid der Palästinenser. In Salbungsgottesdiensten wird Menschen die Hand aufgelegt, während man für sie betet. Schließlich die Tango-Gottesdienste: Hier tanzen Profis, aber auch die Gläubigen mehr oder weniger elegant durch die leer geräumte Kirche, um sich ein Thema in der Bewegung zu erschließen. Zuletzt ging es um Vertrauen. Erst verließen sich die Frauen beim Tango auf die Führung des Mannes, dann ließen die Männer sich von ihren Frauen führen, und gemeinsam versuchten sie zu spüren, wie sich das anfühlt. Kirche als Trainingslager für Gottvertrauen. Wenn das halbwegs funktioniere, meint Mörtter, dann habe Kirche wohl nicht alles falsch gemacht.


Mörtter hat sich von angestaubten Traditionen verabschiedet und geht offen auf Menschen und ihre Bedürfnisse zu. Er organisiert Veranstaltungsformate, die in Kirchen eher selten anzutreffen sind. Er ist ein Facilitator, wie ich ihn an anderer Stelle beschrieben habe.

Selbst die an kirchlichen Leben sonst nicht besonders interessierte taz schrieb über Ihn:

Ein traditioneller Kirchenmann ist Hans Mörtter nicht. Der umtriebige Südstadt-Pfarrer pflegt in seinen Gottesdiensten in der Kölner Lutherkirche die offene Form. Statt Predigten zuzuhören, animiert er seine Gemeindemitglieder zum Gespräch, das meist ein nächstes nach sich zieht, etwa über die drohende Abschiebung einer Flüchtlingsfamilie aus ihrer Mitte, die Not der wachsenden Zahl von Obdachlosen oder die jüngste "Achse-des Bösen"-Tirade des "christlichen Gotteskämpfers" George W. Bush. Nicht wenige, die sich seit Jahrzehnten zur Gemeinde zählen, graust es vor Mörtters Liturgien. Andere nehmen sogar den Weg aus dem Bergischen auf sich, wenn, wie in diesem Herbst, mal wieder ein Tango-Gottesdienst auf dem Programm steht, bei dem hemmungslos getanzt, zugleich aber auch das Thema Folter nicht außen vor bleiben wird.


Ein solches Beispiel lässt sich nicht eins zu eins kopieren und auf andere Organisationen übertragen. Doch es lohnt sich, die Erfolgsfaktoren im Einzelnen anzuschauen und daraus zu lernen. Und es beweist. Gemeinschaftsbildung kann durchaus entgegen dem Trend funktionieren.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Community Organizing - Menschen engagieren und beteiligen

Sie möchten, dass sich in Ihrem Verein, Ihrer Gemeinde, Ihrem Verband, Ihrer Initiative mehr Menschen aktiv beteiligen? Versuchen Sie es mal mit Community Organizing-Methoden. Der amerikanische Präsident Barack Obama hatte diese Methoden seinerzeit zur Wahlmobilisierung eingesetzt.

Community Organizing dient dem Aufbau konstruktiver und tragfähiger Beziehungen. Ursprünglich innerhalb eines Stadtteils und zur Verbesserung der Lebenslagen der Menschen. Das lässt sich auf andere Organisationen, wie z.B. Vereine, übertragen. Entscheidend ist: Die Entwicklung von sozialen Beziehungen ist der Nährstoff von gemeinschaftlichem Engagement. Der Erfolg hängt dann von einer andauernden Pflege der sozialen Beziehungen ab und keineswegs vom Vorhandensein einer bestimmten Problematik. Dies ist die sich ständig wiederholende Aufgabe eines Community Organizers.

Community Organizing hat eine klare Struktur: Zuhören, Recherchieren und Handeln. Durch Zuhören erfahren Sie, was Ihre Mitglieder bewegt, was ihre Wünsche, ihre Kritik, ihre Visionen oder ihre Ideen sind. Dabei werden Sie vielleicht Dinge erfahren, auf die Sie nie gekommen wären. Denn nur wer fragt, kriegt eine Antwort. Nun können sie diese Dinge in öffentlich (!) besprechen und beraten und nach Lösungsansätzen suchen. Oder überlegen, wie Sie interessante Projektideen, die sich ergeben haben, in die Tat umsetzen können. Und dann folgt das Handeln. Das wird nach dem Reden oft gerne vergessen. Darum sollte ein Community Organizer, der nicht in Ihre normalen Vereinsstrukturen eingebunden sein darf, Sie immer wieder daran erinnern. Die drei Schritte Zuhören, Recherchieren und Handeln sind ein Zyklus, der sich wiederholt.

Der entscheidende Unterschied zu anderen Methoden der Gremien- oder Beteiligungsarbeitarbeit ist der, dass ein Community-Organizer immer wieder das Einzelgespräch sucht. Üblicherweise beginnen Beteiligungs- oder Aktivierungsprozesse mit organisationsinterner Öffentlichkeitsarbeit, mit Rundschreiben, Aushängen, Mitteilungen, Emails usw. Das läuft oft ins Leere. Die Erfahrung zeit, dass die Menschen im Einzelgespräch eher bereit und in der Lage sind zu sagen, was sie wirklich bewegt. Der Wunsch nach Vertraulichkeit muss dabei UNBEDINGT respektiert werden. Durch die Einzelgespräche machen Sie engagierte Menschen ausfindig. Sie finden Schlüsselpersonen und Multiplikatoren. Sie wissen, für was sich jeder Einzelne engagieren würde. Wahrscheinlich entdecken sie zu einem Engagement bereite Personen, von denen Sie dies gar nicht vermutet hätten.

Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie das, was Ihre Mitglieder bewegt, auch ernst nehmen. Denn es könnte sein, dass Ihnen dies nicht gefällt und Sie anderer Meinung sind. Wenn Sie nun versuchen, Ihre Sicht der Dinge durch kleine „Mauscheleien“, so wie es schon immer üblich war, durchzusetzen, können Sie Community Organizing in Ihrer Organisation auf Jahre hinaus vergessen. Oder Sie müssen Ihren Stuhl räumen. Was wahrscheinlicher ist. Besser ist es, unterschiedliche Positionen anzusprechen und offen zu legen, damit sie geklärt werden können. Dazu benötigen Sie jemanden, der überhaupt nicht in die Prozesse Ihrer Organisation eingebunden ist, der über einen klaren Blick und ein gutes Unterscheidungsvermögen verfügt. Einen Klärer und Löser also, der auch in der Lage ist, entstehende emotionale wogen zu beruhigen. Ich komme gerne. Sagen sie nicht zu schnell, dass etwas „hier nicht geht“. Oft geht es nämlich doch, nur haben Sie gerade keine Vorstellung davon WIE es gehen könnte.

Sie können diese Methoden auch nutzen, wenn sie schon konkrete Vorstellungen darüber haben, wo es in Ihrer Organisation lang gehen soll. Z.B. weil Sie dafür gewählt wurden. Nur nennt man dies dann nicht Community Organizing. Dann geht es eher darum, Mitstreiter zu suchen, zu begeistern und zu befähigen.

Engagierte Menschen finden – holen sie sich doch mal die Leisen ins Boot und nicht immer nur die Lauten

Ist das bei Ihnen auch so? Es sind immer wieder die gleichen Leute, die sich engagieren, die etwas in die Hand nehmen oder eine Position in einem Gremium oder im Vorstand übernehmen. Und was ist mit den anderen? Haben die keine Lust? Oder keine Ideen?

Häufig ist es so, dass sich die Menschen engagieren, die über ein starkes Selbstbewusstsein und einen hohen Selbstdarstellungsdrang verfügen, die gut argumentieren und Menschen „mitnehmen“ können. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie auch die besten Ideen haben. Sie können nur besser argumentieren. Ihre Ideen und Problemlösungen holen sie aus ihren bisherigen Erfahrungen. Das kann gut sein, muss es aber nicht. Denn so kommen schnell fertige Lösungen auf den Tisch und werden geschickt untermauert. Der begabteste Argumentierer setzt sich durch und alle sind froh, dass jemand die Sache in die Hand nimmt und sagt, wo es lang geht. Allerdings kann dabei passieren, dass ein Problem mit den Methoden gelöst werden soll, durch die es entstanden ist.

Gute Ideen finden sich oft bei Menschen, die weniger „laut“ und durchsetzungsstark sind, bei den Stillen und Leisen. Sie können Ihre Ideen nicht so brillant verteidigen. Und vielleicht sind die Ideen auch noch nicht ausgereift und bedürfen einer Weiterentwicklung. Um auch die Leisen an Ideenfindung und Entscheidung zu beteiligen, kann man Moderationsmethoden anwenden. Oder man sucht sich einen „Kümmerer“, auch Facilitator genannt. Jemand, der nicht in die Vorstandsstrukturen eingebunden ist, eine positive Grundeinstellung den Menschen gegenüber hat und es „gut mit allen kann“. Jemand der ein offenes Ohr hat und Zwischentöne wahrnehmen kann. Der den Leisen hilft, sich vielleicht auch aktiv zu engagieren. Jemand, der evt. auch Fähigkeiten in anderen Menschen wecken kann. Lesen Sie hier mehr darüber: http://klaeren-und-loesen.blogspot.de/2013/03/wie-sie-menschen-in-gruppen-befahigen.html

Seien sie wachsam und vorsichtig, wenn Ihnen für eine komplexe Gemengelage schnell klare und brillant erscheinende Lösungsideen präsentiert werden. Vielleicht haben Sie einfach nur die extrovertierte Rampensau vor sich, die alle anderen Stimmen übertönt.

Lesen sie hier ein interessantes Interview zum Thema intro- und extrovertierte Menschen. http://www.wiwo.de/erfolg/beruf/persoenlichkeit-artgerechte-haltung-fuer-intros-und-extros/9675492-all.html


Wie Sie Gemeinschaft organisieren können

Wir können Sie Gemeinschaft organisieren?
Ob Sport- oder Brauchtumsvereine, Parteien, Gewerkschaften, Kirchengemeinden oder lockere Initiativen – viele Organisationen erleben derzeit einen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen und eine Ansteigen des Durchschnittsalters ihrer Mitglieder. Neue und junge Mitglieder sind eher knapp. Und auch Familien entwickeln sich oft zu Kleinsteinheiten, was die Zunahme der Alleinerziehenden zeigt. Herkömmliche Beziehungsstrukturen zerbröckeln.
Wie kommt das? Wir leben in einem Zeitalter der Individualisierung hören und lesen wir häufig. Die Bindung an eher traditionelle Organisationen nimmt ab. Warum ist das so? Was bedeutet das? Und ist das überall so?
Warum ist das so? Dafür gibt es viele Erklärungen.
Die Menschen sind flexibler geworden. Räumlich, aber auch geistig. Die Bindung an den Ort, an dem man aufgewachsen ist, sinkt. Häufige private und berufliche Veränderungen sind Gründe dafür. Geboren in A, aufgewachsen und Schulbesuch in B, zur Ausbildung oder zum Studium nach C, erster Job in D, mit dem Partner nach E gezogen und später noch mal nach F. Solche räumlichen Veränderungen sind heute keine Seltenheit. Und auch die geistige Flexibilität hat zugenommen. Themen, die mich vor Jahren interessierten, interessieren mich heute nicht mehr, dafür vielleicht andere. Durch diese Wechsel sind Bindungen an Organisationen, in denen ich mit anderen Menschen meine Interessen teilen kann, geringer geworden. Denn Gemeinschaftsbildung, Vertrautheit unter Menschen herzustellen, benötigt immer Zeit.
Und es kommt etwas ganz Wichtiges hinzu: Das Zeitalter der Individualisierung hat auch etwas mit dem Wunsch nach Freiheit und Selbstverwirklichung zu tun. Viele Menschen möchten sich aus alten Abhängigkeiten und Verstrickungen lösen oder haben dies schon getan. Dieser Prozess war nicht immer einfach und schmerzfrei. Und so besteht kein großes Interesse an neuen Abhängigkeiten und Verstrickungen. Auch nicht an solchen in Vereinen und Initiativen. Und darum werden auch persönliche Beziehungen unverbindlicher. Dies mag man bedauern, was aber nichts an der Situation ändert.
Viele Menschen beklagen in diesem Zusammenhang der Verlust an Werten und Tugenden in der Gesellschaft. Man muss allerdings sehr genau hinschauen, wer sich da beklagt und welche Interessen dabei im Hintergrund eine Rolle spielen. Der beklagte Verlust an Werten kommt nicht von ungefähr. Mit Werten und Tugenden wurde lange Zeit allerlei Missbrauch getrieben. Sie dienten vorrangig der Durchsetzung zunächst religiöser, dann politischer und sozialer Machtinteressen – in Familien, Schulen, Kirchen, Vereinen und Betrieben wurden viele Menschen mit Werten und Tugenden indoktriniert, deren Propagandisten sich allzu oft als Heuchler entlarvten. Für den modernen, freiheitssuchenden Menschen bedeuteten sie somit eher Anpassung, Konformität, Selbstaufgabe und Manipulation. Und von jenen, die heutzutage in der Gesellschaft Werte und Tugenden verlangen, werden immer wieder etliche aufgrund ihrer eigenen Handlungen der Scheinheiligkeit überführt.
Gleichzeitig haben viele Menschen den Wunsch nach Nähe und Gemeinschaft, nach Akzeptanz und Angenommensein. Das Motto dabei lautet: „Sei mir nahe, aber mit Distanz.“ Öffentliche Gemeinschaftserlebnisse – Events – und die wachsende Anzahl von Freizeitdienstleistern sollen dieses Bedürfnis erfüllen. Was vermutlich nicht immer gelingt. Viele bleiben einsam unter Vielen.
Was bedeutet das?
Für die oben erwähnten Organisationen hat dies mehrere Konsequenzen. Die Mitgliederzahl sinkt. Das hat für viele Organisationen durchaus ganz praktische existenzielle Folgen. So müssen z.B. die entstehenden Kosten auf immer weniger Mitglieder verteilt werden, die Mitgliedsbeiträge steigen, was zu Austritten auch bei den langjährigen Mitgliedern führt. Aus diesem Grunde haben sich schon etliche Vereine aufgelöst.
Das Ansteigen des Durchschnittsalters der Mitglieder und der Mangel an jungen und neuen Mitgliedern lässt Organisationen häufig „im eigenen Saft schmoren“. Es fehlt die Erneuerung, es fehlen frische Ideen und Menschen, die diese umsetzen. Was zusätzlich dazu führt, dass diese Organisationen für junge und neue Mitglieder unattraktiv sind.
Ist das überall so?
Nein. Es gibt, auch im traditionellen Bereich von Sport- oder Brauchtumsvereinen, von Kirchengemeinden oder sonstigen Initiativen, Ausnahmen. Was machen die anders? Warum sind sie erfolgreicher? Vorab. Es gibt kein Patentrezept. Jede Situation ist anders. Werfen wir mal den Blick auf einige mögliche Erfolgsfaktoren. Und auch auf Misserfolgsfaktoren.
Fangen wir mit den Misserfolgsfaktoren an und bleiben am Beispiel Vereine. Traditionell sorgten Vereinsstrukturen für Beteiligung und Gemeinsamkeit. Es gab Posten und Aufgaben, Verantwortung, Prestige und – Macht. Letztere kann ein gefährliches „Aphrodisiakum“ sein. Veranstaltungen aller Art, die Pflege gemeinsamer Brauchtumsinteressen, Sport, Feste, all dies hielt die Leute zusammen.
Schrebergärten z.B. galten für junge Menschen lange Zeit als Spießeridylle. Doch seit einigen Jahren erleben viele Vereine, die sich schon ihrem Ende entgegen dachten, Zulauf gerade von jungen Menschen, insbesondere von Familien mit Kindern. Überraschung! Wird nun alles gut? Die nächste Überraschung war: Sie interessieren sich Null für das Vereinsleben. Vereinsstruktur, Pöstchen und Verantwortung – das riecht nach Vereinsmeierei. Und Würstchen grillen mit Fassbiertrinken sind auch nicht so ihre gewünschten Gemeinschaftserlebnisse. Hier stoßen Milieus und Kulturen aufeinander. Die sich nicht kennen, die vielleicht freundlich zueinander sind aber sich eigentlich nicht leiden können. Sie können durchaus zueinander finden. Das braucht Zeit und ein paar Instrumente.

Die alte „Vereinsmeierei“ funktioniert also nicht. Das kann dazu führen, dass sie trotz evt. steigender Mitgliederzahlen Ihre Vereinsstruktur „verschlanken“ müssen. So nennt man das in der Managementsprache. Das kann durchaus heilsam sein. Vielleicht stellen sie fest, dass sie viele Funktionen gar nicht mehr brauchen oder zusammen legen können. Dennoch werden einige Positionen auch in Zukunft zu besetzen sein. Warten Sie damit nicht so lange, bis der komplette Vereinsvorstand jenseits der Achtzig ist.

Was auch nicht funktioniert, sind Appelle an das Pflichtgefühl oder das subtile Bereiten eines „schlechten Gewissens“. Das mag früher funktioniert haben. Heute können sie das vergessen.

Kommen wir zu den Erfolgsfaktoren. Ein Klima gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung lässt Menschen aus unterschiedlichen Milieus Wege zueinander finden. Doch dies lässt sich nicht einfach beschließen und noch weniger verordnen.

Begegnung kann man organisieren. Begegnung schafft Verständnis füreinander. Spezielle Treffen für Neumitglieder oder „Patenschaften“ können ein Weg sein. Ein wenig Einfühlungsvermögen ist nötig. Wer den Neuen zuerst erzählt, was hier alles verboten ist, wird sie schnell von hinten sehen. Ein „Kümmerer“, auch Facilitator genannt, kann solche Aufgaben übernehmen. Jemand, der nicht in die Vorstandsstrukturen eingebunden ist, eine positive Grundeinstellung den Menschen gegenüber hat und es „gut mit allen kann“. Jemand der ein offenes Ohr hat und Zwischentöne wahrnehmen kann. Der den Neuen hilft, sich vielleicht auch aktiv im Verein zu engagieren. Jemand, der evt. auch Fähigkeiten in anderen Menschen wecken kann. Lesen Sie hier mehr darüber: http://klaeren-und-loesen.blogspot.de/2013/03/wie-sie-menschen-in-gruppen-befahigen.html

Alte Ehrenamtler und neue Freiwillige ticken anders. Die Alten tun viele Dinge aus Tradition und einem gewissen Pflichtgefühl heraus. Die Neuen engagieren sich, weil ihnen etwas Spaß macht. Sie engagieren sich eher projektbezogen und nicht dauerhaft. Und haben meist kein Interesse an Pöstchen im Verein. Wer versucht, sie zu vereinnahmen, sieht sie meist schneller wieder weglaufen, als er gucken kann.

Die alten „Ehrenamtler“ haben meist ihre Spielwiesen. Sie machen Dinge auf ihre Weise und dies oft seit Jahrzehnten. Und wissen oft selbst nicht, warum. Die Neuen gehen Dinge anders an. Das kann eine gute Chance für Innovation im Verein sein, wenn man sie erkennt. Es kann aber auch eine Quelle für Streit und Missverständnisse sein. Manchmal reicht es schon, wenn die Vereinspokale nach dem Abstauben in der falschen Reihenfolge stehen. Lesen sie hier mehr darüber, wie Sie ehrenamtliches Engagement stärken können: http://ideen-fuer-vereine.blogspot.de/2013/02/ehrenamtliches-engagement.html

So können sie dann auch Leute gewinnen, die vielleicht mal bereits sind, eine Vorstandsposition zu übernehmen.

Donnerstag, 20. November 2014

Konflikte im Team

In der Vorstands- und Teamarbeit kann es zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommen. Das ist natürlich und zu einem Teil auch gut. Denn so entwickelt sich ein Verein weiter, neue Lösungsansätze können entstehen.

Was können Sie tun? Lesen Sie hier weiter: Entscheidungsfindung in Teams